Dienstag, 18. November 2014
Systemjournalismus
Gestern auf Radioeins vom RBB, die Pressesprecherin des Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerkes ist am Telefon bezüglich des Aufrufs „Vermieten Sie Wohnraum – helfen Sie Flüchtlingen“, mit Namen Juli von Stülpnagel.
„Haben Sie Ihre Wohnung auch schon zur Verfügung gestellt?“, fragt die Moderatorin eingangs.
Nein das habe sie noch nicht, freut sie sich ins Telefon, sie sei „so befasst mit der ganzen Angelegenheit, dass ich gar nicht zum Nachdenken auf persönlicher Ebene komme.“

Das ist effizient gearbeitet, man erreicht mehr Vermietungen von Wohnraum, wenn man sich dafür einsetzt, dass alle anderen es tun, wogegen man selbst ja nur einer wäre.

Aber dass die Moderatorin da nicht auflegt, das ist Systemjournalismus.

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Montag, 17. November 2014
Geldquelle
In die feuilletonistische Debatte geriet der Verkauf zweier Warhol-Bilder durch Nordrhein-Westfalen. Manche sagen, warum nicht, andere, Akt der Barbarei.
Ob die Wahrheit irgendwo dazwischen liegt, braucht hier nicht zu interessieren, man sieht aber an einer solchen Debattenlage die Veränderung eines Konsenses. So was wäre bis vor kurzem nicht denkbar und unmöglich gewesen, nun geht man dazu über, nichts dabei zu finden.
Das sollte uns beunruhigen.
Ist ein Anfang gemacht, geht es weiter, das ist nicht zu gewagt geweissagt.
Den Bestand zu verkaufen, das ist ein Verhalten des verarmten Adels.
Das Geld wird nicht, wie gelegentlich formuliert, in die leeren Kassen gespült zur Sanierung, es ist bereits weg. Der Haushalt wird nicht saniert, damit er saniert bleibt, die Aktion zieht weitere nach sich.
Nicht Wertschöpfung, sondern Auflösung, das ist das Prinzip. Das, was da ist, wird zu Geld gemacht, und wo Geld fließt, sind welche, die für den Fluss bezahlt werden. Die sind die Ausbeuterklasse.
Solange man vorgibt, den Armen vom Raub was abzugeben, kann man sich dabei demokratisch legitimiert fühlen.

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Sonntag, 16. November 2014
Gesicht gezeigt
Claudia Roth soll bei einer gewalttätigen Demonstration mitgelatscht sein, der in Hannover für die Salafisten, und schon sagen manche, jetzt habe sie ihr wahres Gesicht gezeigt.
Das kann man so nicht stehenlassen.

Das Körnchen der halben Wahrheit ist freilich, man ist, was man tut, dramaturgisch ausgedrückt. Oder wie es Profiler sagen: Die Tat ist das, wo der Täter nicht lügt.
Unter ethisch-moralischen Aspekten muss die subjektive Lage beachtet werden. Claudia Roth wähnte sich im Marsch gegen Nazis. Bewerten wir sie also innerhalb dieser subjektiven Situation, als wäre dies die objektive.
Wenn zum Beispiel eine Demonstration stattfindet, die heißt beziehungsweise die man versteht als „Nationalsozialisten gegen Vergewaltiger“, muss man da nicht hingehen, man kann sagen, „ich glaube dem Anliegen nicht“ oder „nicht mit denen“, das ist in Ordnung.
Bei der Gegenveranstaltung „Vergewaltiger gegen Nationalsozialisten“ darf man nicht mitgehen.
Und auch nicht bei der Veranstaltung „Mittelbare Unterstützung der Vergewaltiger“.
Punkt, um es deutlich zu sagen.

Hat Claudia Roth nun ihr wahres Gesicht gezeigt?
Kann man so nicht sagen. Denn ihr wahres Gesicht zeigt sie seit Jahren. Gemeint ist nicht ihr Antlitz, sondern, was sie sagt.
Man muss nur hinhören.
Genauso Künast und wie sie noch heißen.

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Samstag, 15. November 2014
Leute und Bedeutung
In den Nachrichten: Die G20-Staaten haben sich zum Kampf gegen Ebola bekannt.
Eine Schocknachricht.
Nicht nur, weil es weiter heißt, konkrete Maßnahmen sehe das Papier nicht vor, sondern vor allem, weil man davon ausgehen muss, dass diese Leute an ihr eigenes Bekenntnis tatsächlich glauben und es als einen Fakt ansehen, den sie geschaffen haben.
Was wichtige Leute sagen, kann nicht bedeutungslos sein, und in der Informationsgesellschaft kommt es auf die Präsenz an, könnte man meinen, aber solange es nebenher noch eine Realität gibt, gilt: Leute, die Bedeutungsloses tun, sind bedeutungslos.

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Freitag, 14. November 2014
Eine Frage des Alters
Sahra Wagenknecht hat Wolf Biermann als alten Mann bezeichnet. Man muss wissen, dass damit ein Unwerturteil über eine Person gemeint ist.

Man kann davon ausgehen, dass es wahr ist, dass zwischen Wagenknecht und Biermann ein geschlechtlicher Unterschied besteht, der sich im Gender niederschlägt.

Aber so alt wie Sahra Wagenknecht war Biermann nie.
Seit 25 Jahren sieht man sie verkniffen gucken, gelegentlich verkniffen lächeln, versuchsweise. Zuerst kritisierte sie Gorbatschow für seinen Verrat am Kommunismus, und so ging es weiter.
Biermann hat unter dem Kommunismus gelitten, nämlich unter seinem eigenen. Er war nie zu alt, um seine Irrtümer durch bessere zu ersetzen.
Wagenknecht wird nachgesagt, mal den ganzen Faust auswendig draufgehabt zu haben. Das war eindeutig zu viel, der Satz „Es irrt der Mensch, solang er strebt“ hätte gereicht, geht dann aber in der Masse unter.
Wagenknecht wird für ihren Kommunismus fürstlich bezahlt und funktionär verehrt. Wonach sie noch strebt, ist der Fraktionsvorsitz, das bringt noch mehr Geld vom Staat. Das ist der Traum aller Alten, Geld vom Staat, für sie und ihre Mitkommunisten erfüllt er sich.

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Donnerstag, 13. November 2014
Toleranzig
Die ARD hat sich etwas Kritik eingefangen wegen ihrer Themenwoche Toleranz und der Kampagne mit „Belästigung oder Bereicherung? Normal oder nicht normal?“ und so.
Vorgeblich monieren die Kritiker, wie könne man überhaupt auf Belästigung oder nicht normal kommen.

Es könnte ja sein, dass gerade damit die Toleranz getestet werden sollte.

Die ARD sieht keinen Korrekturbedarf, denn es war ja alles gut gemeint.

Das Peinliche an der Toleranz ist aber der Toleranzforderung immanent. Toleranz fordern, das kann man eben nur für etwas, das nicht Bereicherung ist und nicht normal.
Die Toleranz soll die Regung ausschalten. Dies bezweckt die Toleranzpropaganda, und damit soll nicht den Nichtnormalen gedient werden, sondern den Herrschenden. Erkennbar daran, dass man ja gar nicht dahin gelangen möchte, dass sich die Frage nach Toleranz erübrigt. Man soll zum Tolerieren erzogen werden, zum Hinnehmen, Dulden, Ertragen, Wegschauen. Um die Depression abzuwenden, kann man den Druck ja in Aggression umleiten und andern Toleranz abverlangen oder Intoleranz jagen.

Manchmal regt sich noch ein Rest an vernünftiger Abneigung.

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Mittwoch, 12. November 2014
Nachhaltig glauben
Da man von Religion nichts versteht, weil man nicht muss, hält man üblicherweise das Christentum für so etwas wie Islam und den Islam für so was wie Christentum.

Schlauintellektuelle sehen im Monotheismus eine Ursache für Intoleranz und Mangel an Vielfalt.
In der Dreieinigkeit wird dann aber auch kein Zeichen für weitergehende Denkbarkeiten gesehen.
Und weil man nie etwas anderes erlebt hat als humanistische Verfasstheit, hält man das Christentum für überflüssig, weil es in der Botschaft doch nur das allgemein Menschliche zu bieten habe. Und allgemein menschlich sind wir sowieso.

Schön wäre es ja. Aber es ist umgekehrt: Wer an das Allgemein Menschliche, die Befähigung zum Guten, glauben möchte, findet dazu im Christentum die Geschichte.
Dazu muss man weder an die Wunder glauben noch an die Kirche, mitunter muss man es gegen den Klerus verteidigen, richtig. Man kann das Evangelium rein philosophisch verstehen. Und das sollte man dann doch.
Man befindet sich sonst auf der gleichen Stufe wie einer, der meint, niemand muss ein Auto haben, es können ja alle trampen. Oder niemand muss arbeiten, es ist genug für alle da.

Es ist kein Zufall, dass die Abkehr vom Menschlichen mit der Entchristianisierung einhergeht.
Es gibt zufällig eine Religion, bei der nicht das Allgemeinmenschliche die Botschaft ist und die des Menschen Befähigung zum Miesen anspricht. Kein Zufall ist, dass die Herrschenden sie willkommenheißen.

Das ist die Lehre, die wir dem Islamismus verdanken.

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Dienstag, 11. November 2014
Was ist Wahrheit
Vor zehn bis fünfzehn Fernsehjahren, als es mit den Polit-Talkshows losging, kam es vor, dass einem Politiker ein Mensch aus der Praxis entgegengesetzt wurde, so dass der Politiker sich in eine peinliche Situation gebracht fand.
Mittlerweile passiert das kaum noch oder fällt nicht auf, denn der Ideologe und der Realistiker befinden sich beide im virtuellen Raum der Informationsgesellschaft, der Ideologe hat inzwischen gelernt, die Stimmung zu dominieren und dass es ihm nicht peinlich sein muss, wenn jemand aus einem individuellen Blickwinkel zu einer falschen Auffassung gelangt ist. Er hat die bessere Stimmung, damit die bessere Information und ist deshalb im Recht.

Der Ideologe, der Politiker, weiß mittlerweile, das es nicht um die Wirklichkeit geht, sondern Beherrschung der Information.
Dies war schon immer so, was aber noch nicht schon immer so war, ist, dass wir uns komplett in der virtuellen Welt befinden und eine Realität überhaupt nicht mehr benötigen für eine Meinungsbildung.

Die neue Qualität ist aber, dass es den Journalistendarstellern nicht mehr darauf ankommt, der Wirklichkeit nahezukommen, sondern die Meinungsmacht im vorgegebenen Sinne zu wahren.

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Montag, 10. November 2014
Die Machtaussichten der SPD
Wer meint, das schlimmste Zeichen für den Niedergang der SPD sei, dass Sigmar Gabriel Parteichef ist und niemand etwas dabei findet, übersieht, dass Ralf Stegner Vize ist und niemand etwas dabei findet.

Die SPD befand sich in der meisten Zeit ihrer Geschichte in dem Zustand, eine ehemals stolze Partei zu sein, aber noch nie war sie der politische Arm der Linkspartei.

Sigmar Gabriel verdankt seinen Aufstieg Wahlniederlagen. Er kam, als der Vordermann geschlagen war, sah und siegte über parteiinterne Widersacher. Zuletzt wurde Peer Steinbrück rausgeschickt, durchaus wählbar, abgesehen vom Kompetenzteam, aber zerschossen von Andrea Nahles und den ihrigen, die den Sieg davontrug.
In Thüringen wurde die SPD abgeohrfeigt für die mangelnde Weigerung, unter den Kommunisten in die Regierung einzutreten, woraufhin die Führung ausgewechselt wurde gegen die, die genau dies wollten und machen.

Das wird bei der Bundestagswahl genauso. Sigmar Gabriel schließt nichts aus, die SPD rutscht ab, und Ralf Stegner schmiedet das moderne linke Bündnis.

Geschieht Sigmar Gabriel ganz recht.
Aber nur ihm.

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Sonntag, 9. November 2014
Lehren aus dem Mauerfall
Das Wunder von 89 war, dass die Revolution ohne Gewalt, ohne Krieg, abging. Die Ex-Herrschenden halten sich gern zugute, dass es ja an ihnen lag, dass nicht geschossen wurde.
Das stimmt.
Es gibt aber noch eine andere Hälfte der Wahrheit.
Damals war die DDR einfach am Ende. Die Herrschenden klammerten sich an jeden Zipfel der Hoffnung auf die Aussicht, doch irgendwie die Herrschenden zu bleiben, notfalls ohne Mauer und ohne Alleinführungsanspruch. Damit wäre es sofort vorüber gewesen, wenn ihnen ein Schuss zuzurechnen gewesen wäre.

Man muss die Herrschenden also immer in dem Glauben lassen, es könnte für sie doch noch etwas drin sein.

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Samstag, 8. November 2014
Die Theorie der Möglichkeit
Schade, dass der Artikel mit dem Titel „Eine islamische Theorie der Gewaltlosigkeit -- Die Gewalt im Namen des Islam ist wohl die größte Herausforderung an die Muslime der Gegenwart. Dabei ist ein Ethos des Gewaltverzichts im Islam möglich“ an Zeit-Leser gerichtet ist, die Intellektuellen unter den Dummen.

Natürlich ist ein Paradigmenwechsel möglich, das ist nicht zu bestreiten. Man soll sogar alle unterstützen, die darauf hinarbeiten.

Aber falsche Hoffnung zu hegen oder die Vision für eine Realität halten, die Theorie für das Maßgebliche zu nehmen, das ist es, was die Zeit-Leser so gefährlich macht.

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Freitag, 7. November 2014
Drachensteigen
Biermann sagte im Bundestag, er sei von Lammert eingeladen, um der Linkspartei ein paar Ohrfeigen zu verpasssen, was er aber nicht könne, er wäre ja Drachentöter gewesen.

Der scheint nicht zu wissen, das es nur noch niedliche Drachen gibt.

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Donnerstag, 6. November 2014
Fehlurteil
Dieter Nuhr wurde begnadigt. Das Verfahren wurde eingestellt mit der Begründung, dass es Satire ist und weil er nicht ausländerfeindlicher Gesinnung ist.

So schön es ist, dass er es schriftlich hat. Aber darum geht es nicht.
§ 166 StGB stellt unter Strafe, öffentlich den Inhalt des Islam, seine Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise zu beschimpfen, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.
Für Volksverhetzung müsste er gegen Moslems zum Hass aufstacheln oder zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen auffordern oder deren Menschenwürde angreifen durch Beschimpfung, Verächtlichmachung oder Verleumdung durch ihre Zugehörigkeit zum Islam, gleichfalls in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

Das einzige Tatbestandsmerkmal, das er erfüllt hat, ist „öffentlich“.
Was keine Rolle spielen darf, ist die Gesinnung. Wir sind also schon mal in die Gesinnungsjustiz gerutscht, vorerst zugunsten des Gauners.
Zweitens müsste Dieter Nuhr geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören.

Einige schauderhafte Juristen fordern übrigens, dieses Straftatbestandsmerkmal zu streichen, was bedeutet, schon der böse Wille würde zählen und nicht erst die Gefährdung der Ruhe.
Denn hierbei geht es nicht darum, dass die Beleidigten revoltieren, sondern dass gegen sie aufgehetzt würde. Zum Beispiel das Kabarettpublikum.

Wir können darauf gefasst sein, dass dieser Paragraph kultursensibel geändert wird, weil jemand bemerkt, dass er aus der Zeit der alten Bundesrepublik stammt.

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Mittwoch, 5. November 2014
Gedenkmaschinerie
Ist es statthaft, etwas gegen das Gedenken an die Opfer des NSU zu haben, Vorbehalte etwa? Ist das nicht was für Nazis und Hooligans und Beate Zschäpe?

Im Radio, HR1, hieß es, die NSU-Angehörigen haben ein Buch geschrieben. Die NSU-Angehörigen. Gemeint waren die Angehörigen der Opfer. Überall gibt es Kundgebungen mit Straßenschilderüberklebungen und Programm mit der Ombudsfrau, die beklagt, dass kein Ermittler, kein einziger (!), wegen Strafvereitelung einem Ermittlungsverfahren unterzogen wurde. Da sind alle entsetzt. Sie selbst war damals noch nicht Ombudsfrau, sonst wäre sie sogleich zum Tatort geeilt.

Ach nein, ach nein. Die Gedenkroutine ist unsere Spezialität, die Gedenkmaschine läuft.
Doch falsches Gedenken ist gar keins. Falsches Gedenken kann nicht richtig sein. Schaubetroffenheit tut gut, aber nur einem selbst, die Objekte der Betroffenheit können sich ja eingebunden fühlen.
Was da abgeht, ist Fetischisierung. Alles ohne emotionalen Aufwand. Noch unterhalb der Heuchelei. Man könnte auch Karten verkaufen mit „Herzliches Beileid zum NSU-Mord.“
Weder die Opfer noch die Täter verlangen den Gedenkern etwas ab. So leicht kriegt man Gedenken nie wieder. Die geforderten Konsequenzen betreffen allesamt andere Leute und lassen sich deshalb äußerst einfach fordern. Diesmal sind wir wirklich unbeteiligt. Wer jetzt nicht antifaschistisch ist, der also echt jetzt.

Mindestens müsste der Innenminister sagen, die Mörder sind unsere Söhne und Töchter.

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