Mittwoch, 22. August 2018
Offenkundige Notwendigkeit
In den frühen Neunzigern monierte der damalige Bundespräsident, die Parteien haben in verfassungsrechtlich bedenklichem Ausmaß den Staat im Griff.

Es ist ausgeschlossen, dass vom heutigen Bundespräsidenten so etwas zu vernehmen wäre. Nicht, weil die Lage sich gebessert hätte, sondern weil er selbst ein Produkt dieses Apparates ist. Auch sonst ist niemand aus dem Establishment in Sicht, von dem man eine solche Aussage zu hören bekäme.
Man kriegt das Gegenteil erzählt; wer nicht an die Parteien glaubt, ist doof, abgehängt und fehlgeleitet.

Parteienkartell, so was darf man gleich gar nicht sagen. Parteienpresse, Parteienfunk, schlimme Wörter.
Wie es scheint, ist der Prozess des Totalitärwerdens ein Automatismus, der gar nicht beabsichtigt zu sein braucht. Für ihren Machterhalt müssen die Parteien nur zueinander passen, nicht zu ihren Wählern. Sie sind schon dabei aufzugeben, die Wähler dort abholen zu wollen, wo sie sind, weil die Wähler sowieso bloß das Volk sind, da ist nichts mehr zu retten. Und auch dieses Verhältnis ist kein fester Zustand, sondern ein dynamischer Verlauf, er erfordert immer mehr Aufwand, Mittel und Institutionen, vom Morgenmagazin bis zum Tatort. Das funktioniert so weit, als dass die Hälfte sowieso selbst verstaatlicht ist oder sich nicht die Mühe einer oppositionellen Meinung macht, die in ein widerständisches Leben führen müsste.

Ohne, dass wir sagen könnten, wie eine Wende kommen könnte, sehen wir ihre allgemeinverständliche Notwendigkeit: damit der Tatort wieder besser wird.

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