Montag, 24. Juni 2013
Der gelähmte Philosoph
Es ist eine Eigentümlichkeit deutscher Auffassungsfähigkeit, dass man jemanden für das hält, was der Mangel übrig lässt. Als lustig gilt, wer zwar unkomisch ist, aber alles andere noch weniger. Ein Mann mit halbseitiger Gehirnlähmung, die seine Hirnhälfte, die etwas stärker als die andere für Emotionen, das Gefühlsleben, zuständig ist, ausschaltet, gilt als intellektuell. Wenn er sich dafür feiert, als Philosoph.
Nun kann die Ratio Trost spenden, wenn das Gefühl verzweifelt, doch darum geht es dem Philosophen, der über seine Emotion schlecht denkt, nicht. Er hat schlichtweg Angst vor seiner Gefühlswelt und hat sie durch Abspaltung verleugnet und weggesperrt.
Und dazu wird er allen Grund haben. Sein Gefühl ist nämlich unbefriedigt. Er weiß, wenn er unter den 9/11-Opfern gewesen wäre, hätte niemand um ihn getrauert. Es hätte ein paar vergeistigte Nachrufe gegeben, aber keine Trauer.
Er verachtet sich selbst so sehr, dass er Empathie nicht zulässt. Genauer gesagt, er hasst sich, er liebt sich nicht und wird nicht geliebt, Verachtung wäre reflektiert, und davor gerade muss er sich schützen. Sonst müsste er vor Mangel an Liebe zusammenbrechen. Stattdessen rationalisiert er und verbannt das Menschliche in die Bäh-Gehirnhälfte. Nicht nur das, alles, was ihm nicht in den Kram passt, verortet er dort. Das nun aber ist ein Affekt. Da versucht das Hirn des Halbmenschen wohl, seine Funktionen zu erhalten.

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