Dienstag, 29. März 2016
Entwertung
Stellen wir uns einmal vor, was in unserer Klischeevorstellung mit einem passieren würde, der schriebe, das wird nichts mit den Moslems, die werden nie etwas mit unseren Werten anfangen können, diese Werte sind einfach nichts für die.

Logisch, der hätte bald ausgehetzt, denken wir.
Aber so ist es gar nicht. Es ist nämlich geschrieben worden, in der FAS, zitiert im Perlentaucher, und es gab keinen Aufschrei.

Es kommt eben darauf an, wie man es meint und welche Schlussfolgerung man damit verbindet.
Was geht: auf Werte und den Wertebegriff deshalb verzichten.

„Im Wirtschaftsteil der FAS wendet sich der Theologe Friedrich Wilhelm Graf gegen den Begriff der ‚Werte’, der die Muslime nur ausgrenze: ‚Der Wertbegriff trägt immer schon die Unterscheidung von 'wert' und 'unwert' in sich, und er wirkt unausweichlich exkludierend: Manche teilen bestimmte 'Wertüberzeugungen', andere lehnen sie ab. Moralische Dissense sind in einer freiheitlichen Gesellschaft der Regelfall und legitim. Deshalb werden nur Minderheiten ausgegrenzt, wenn die 'Werte' der Mehrheit als die gemeinschaftlichen Überzeugungen aller gelten sollen. Für wirklich alle gilt allein das Recht, und deshalb sind Rechtsbrecher zu verfolgen und zu bestrafen. Aber dies hat nichts damit zu tun, ob irgendwelche jungen Muslime die 'Werte' von älteren Katholiken, Protestanten oder Agnostikern teilen.’

Der Bezug zum Recht klingt erst einmal zutreffend, doch das Recht ist nur dann auch legitim, wenn es auf Werten begründet ist. Die Achtung des Rechts aufgrund zugrunde liegender Werte ist nicht gleichwertig mit der Infragestellung des Rechts durch Nichtakzeptanz der Werte. Genau dies aber hieße die Abschaffung der Werte; die täglich neue Aushandelung der Grundlagen des Zusammenlebens.

https://www.perlentaucher.de/9punkt/2016-03-29.html

... comment

 
Was ist Multikulturalität?
FW Graf kratz ordentlich an dem Problem, wahrscheinlich, ohne dass er das weiß. Und er ist nicht der Einzige.

Sie, verehrter Tagesschauder, haben natürlich recht, dass das Rechtssystem die Kultur und Moral eines Landes widerspiegelt, ja deren Ergebnis ist. An dem Rechtssystem kann Schritt für Schritt auch gerüttelt und geändert werden, je nach dem welche neuen Impulse in die Gesellschaft einfließen. Das passiert ja ständig.
Nun, es wäre aber rassistisch zu sagen, dass das westeuropäische Rechtssystem über dem z.B. der islamischen Staaten steht. Wenn man korrekt bleiben wollte, dann müsste man die verschiedenen Gesellschaftsmodelle als mit einander konkurrierend betrachten. Wenn...
... Unser System ist aber nicht parallel zu den anderen Systemen entstanden, sondern als Folge der Überwindung mancher Tendenzen (Trennung Staat und Kirche, Stellung der Frauen, Todesstrafe, Schutz der Minderheiten usw.), derer Veränderung (Überwindung wäre schon wieder wertend) in den besagten Ländern entweder nicht funktioniert, oder nicht gewollt ist.

Im Sinne FW Graf habe ich eine Kritik über Star Wars gelesen, wo die Multikulturalität als "pseudo" bezeichnet wird, da eigentlich alle, also die mit einem Auge und mit zwei Köpfen und alle anderen exotischen Intelligenzen, die weiße Kultur und Rechtssystem praktizieren. (Bis auf Jabba, aber Beispiele für ihn gibt es auf der Erde ja auch genug).

Unser Rechtssystem wird sich ändern, keine Frage, mit dem Wandel der Zusammenstellung der Population. Die Richtung ist auch klar.

... link  

 
Das wäre nicht
rassistisch zu sagen, andersherum ist rassistisch: Menschenrechte sind weiß und gelten nicht für alle.

... link  

 
Jedes Rechtssystem
widerspiegelt menschliche Fähigkeiten und Eigenschaften der jeweiligen Kultur. Die westliche Welt wird mit dem Rechtssystem der Weißen gleichgesetzt. Hielte ich dieses System für überlegen, das wäre per definitionem rassistisch.

"Menschenrechte sind weiß und gelten nicht für alle" ist natürlich auch rassistisch, wenn man auch fragen könnte, welche Menschenrechtsdefinition dabei gemeint ist. Wie wir wissen, es gibt eine Menschenrechtsdeklaration der Arabischen Länder auch und die divergiert in manchen Details von der Europäischen.

Genau deswegen habe ich gemeint: FW Graf kratzt hier an etwas Grundsätzlichem, woran die Policial Correctnes einiges zu nagen hat.

... link  

 
Vorsicht
'Die westliche Welt wird mit dem Rechtssystem der Weißen gleichgesetzt.' gilt zwar so für einige, ist aber inhaltlich falsch. - Der "Westen" ist der (wenig geeignete) Code, um diejenigen Systeme kurz und metaphorisch zu benennen, die den Ideen und Werten der Aufklärung folgend gesellschaftlich implementieren konnten.
"Kapitalismus" wäre bspw. ein zweiter (wenig geeigneter und zudem die Diskreditierung suchender) Code.

--
Ansonsten erheben die aufklärerischen Systeme nicht den Anspruch [1] überlegen zu sein, sondern nur den Anspruch im Sinne des Sapere Aude aufklärerisch zu sein. Sie ermöglichen zudem Anwendungen. Die zurzeit geübte Naturwissenschaftlichkeit erlaubt diese, gerade auch, weil sie im Sinne des Trial & Error nach Erkenntnis sucht, nicht nach Wissen. (Auch wenn es im Deutschen bei der Wissenschaft nach der Suche nach Wissen klingt.)
Erkenntnis funktioniert sozusagen, wer weiß oder "weiß", weiß oder "weiß" nur.

Wobei man nun wieder beim Weißen wäre, lol, nah, also wirklich, es sind zwar die relevanten Aufklärer weiß gewesen, aber hier ändert sich schon was nach und nach.
"FW Graf" scheint nett gemeint antirassistisch, aber faktisch rassistisch unterwegs zu sein.

MFG
Dr. W

[1]
Politisch wird dann gerne in der Folge postuliert, dass aufklärerische Systeme im Sittlichen und auch sonstwie überlegen sind.
Was auch politisch gar nicht dumm (vs. 'doof') klingt, aber nicht direkt dem Anspruch der Aufklärung entspricht.

PS und huch!
Hat sich jetzt gerade der Primärinhalt, auf den reagiert werden konnte, geändert?!
Der Schreiber dieser Zeilen nimmt nun, zumindest: vorrübergehend, diese Aussage zurück: '"FW Graf" scheint nett gemeint antirassistisch, aber faktisch rassistisch unterwegs zu sein.'
(Es klang zuvor so, als ob der "Westen" und somit auch die Aufklärung einer weißen Rasse zugeordnet worden ist.)

... link  

 
Interessante Diskussion,
die leider nur jene führen, die eh das Gleiche meinen.

Über Rassismus kann man nur dann reden, wenn Eigenschaften einer biologisch definierten Menschengruppe zugesprochen werden. Weiße bilden nach ihrem Phänotyp z.B. eine Rasse, die Aufklärer nicht. Dass die Aufklärung ein Teil der Geschichte Europas (und Nordamerikas) ist und hier die weiße Rasse zuhause ist, ist wahrscheinlich nur ein Zufall.

Und für den Fall, dass das kein Zufall wäre, tut es gut in Erinnerung zu rufen, dass man generell nicht mehr von Menschenrassen spricht.

... link  

 
Herr Cok
, hier mal eine geeignete Rassismus-Definition:
‘Racism is usually defined as views, practices and actions reflecting the belief that humanity is divided into distinct biological groups called races and that members of a certain race share certain attributes which make that group as a whole less desirable, more desirable, inferior or superior.’

Das Feststellen von Menschenrassen wird von Biologen (der Zitierte ist übrigens streng politisch links) und von Gesetzgebern weiterhin geübt, lustigerweise persistiert, was der Schreiber dieser Zeilen extra-gerne meidet, nicht für notwendig erachtet, die Menschenrasse wird konzeptuell und explizit auch für die Zwecke der Positiven Diskriminierung (UK), der Affirmative Action (US) und der Antidiskriminierung (BRD - womöglich heißt es auch 'Gleichstellung') gerade von denjenigen, die angeben anti-rassistisch unterwegs zu sein, benötigt.

Blöde war halt dies hier, wie sich Ihr Kommentatorenkollege erlaubt anzumerken:
Die westliche Welt wird mit dem Rechtssystem der Weißen gleichgesetzt. Hielte ich dieses System für überlegen, das wäre per definitionem rassistisch.
Kultur kann sinnhafterweise politisch als überlegen eingeschätzt werden.

MFG
Dr. W

... link  

 
Na ja,
wie wir alle wissen, alles ist Politik. Auch die Biologie.

Wenn Menschenrassen gerade in das Konzept passen, dann gibt es sie, wenn nicht, dann ist der Begriff obsolet. Most simple.

... link  

 
Politik
...ist das Handeln, das notwendig geworden ist, als der Primat sesshaft geworden ist, insbesondere zur Landwirtschaft gegriffen hat und sich bestimmten "politischem" Denken, Polis meint ja die Stadt und besondere Bürgerwerdung, angeschlossen hat, städtischem Denken, auch Stände und so meinend.

Nachdem das Nomadentum und die Jagd als primäre Erwerbs- und Erhaltungsquelle aufgegeben worden sind.

Hier darf sich schon anthropologisch bemüht werden, insofern ist die Naturwissenschaft, die aufklärerische, schon in gewissem Sinne Politik.

Ansonsten natürlich ein fettes +1, es ist zwar 'nicht alles Politik', aber das, um das sich hier auf höherem Niveau bemüht worden ist, ist Politik oder bemüht sich um diese.

Wenn Sie weitergehend ausführen, sich gar ein wenig exponieren -nichts spricht dagegen-, wären wohl hier Messlatten anzulegen.
Damit gewusst wird, worüber geredet und geschrieben wird.

'Menschenrassen' bspw. gibt es insofern oder sind anzunehmenderweise sinnhaft theoretisierbar, oft: bedarfsweise, aber auch mit einer gewissen Vorsicht zu genießen,
MFG
Dr. W

... link  


... comment
 
Ich sehe keinerlei Problem, eine Wertung zwischen den Rechtssystemen zu tätigen; ich werte eines, unter dessen Gültigkeit sich eine Gesellschaft dauerhaft friedlich und zum allgemeinen Wohlstand hin entwickelt, als jedenfalls überlegen, wenn es auch vielleicht oder sogar gewiss nicht das bestmöglichst denkbare sein mag. Und diese Wertung erhebt durchaus den Anspruch, keine persönliche oder subjektive zu sein. So meine ich, dass kaum jemand, der bei Verstand und bei Sinnen ist, das Rechtssystem der Nürnberger Gesetze als in irgendeinem Sinne gleichwertig zu unseren heutigen westlichen Rechtssystemen ansehen wird.

... link  

 
Vorsicht
So meine ich, dass kaum jemand, der bei Verstand und bei Sinnen ist, das Rechtssystem der Nürnberger Gesetze als in irgendeinem Sinne gleichwertig zu unseren heutigen westlichen Rechtssystemen ansehen wird.
Doch, dies wird gemacht, und die Leute, die dies tun sind oft 'bei Verstand' und gar verständig.
Gemeinte aus politischer Sicht verdammenswerte Systeme, sind irgendwie (oder: 'in irgendeinem Sinne') schon gleichwertig mit den "westlichen" Systemen, denn sie können ausgeübt werden, persistieren oder taugen für ihren Bestandserhalt wie für mögliche Expansion.

... link  

 
Wohl wahr,
allerdings möchte ich ja neben Bestandserhalt (und ggf. Expansion, die würde ich aber nicht zwingend inkludieren) unabdingbar das Wohlergehen oder besser noch die Chancengleichheit ALLER unter dem Rechtssystem Lebenden voraussetzen. Damit bleiben nicht mehr viele Beispiele übrig in der Geschichte.

... link  

 
Sehr sympathisch
, was Sie so schreiben, wie ich mir erlaube anzumerken, also aus meiner pers. Sicht.
Diese ist aber vorab gesetzt worden, durch eine Art pers. Glaubensentscheid angenommen, als politisch-sittliche Sicht, und dann (natürlich: sehr viel später) auf Sie angewandt worden.
Allerdings, allerdings, bei der 'Chancengleichheit ALLER', also bei dbzgl. effektiver Chancengleichheit läge dann vielleicht doch ein ganz kleiner Dissens vor.
Chancengerechtigkeit ginge konsensuell etwas besser, bliebe aber auch ein klein wenig problematisch.
Aber egal: Welcome! [1]

MFG
Dr. W

[1]
zum besten, lustigsten und verständigsten d-sprachigen WebLog aller Zeiten

... link  


... comment