Sonntag, 27. Januar 2013
Aufschreier
Rainer Brüderle hat Frauen inspiriert, auf Twitter und Facebook einen Aufschrei gegen den alltäglichen Sexismus zu verüben. Es ist schön, dass die moderne Technik es ermöglicht, sich gefahrlos gegen das Übel zu engagieren, denn das Anliegen ist berechtigt; belästigender Sexismus im nichterotischen Sinne ist eine Herabwürdigung der Person zum Mittel.

Leider ist der Aufschrei eine hysterische Reaktion, eine Entladung eines emotionalen Staus, der durch Tabu entstanden ist.

Eigentlich ist der auslösende Vorfall nichts weiter als lächerlich, peinlich für Rainer Brüderle, aber nicht das Problem einer Frau im Vollbesitz ihrer geistigen und körperlichen Kräfte. Nicht, dass solche Frauen keine ernsthaften Probleme erleben, dann zumeist als Teil der Mehrheitsgesellschaft, die daran selbst die Schuld trägt. Darüber spricht man am besten gar nicht. Das würde nur Vorschub leisten und schüren und ausgrenzen.

Diese Verdrängungsarbeit bewirkt, dass das Verdrängte irgendwo anders herausbricht, und zwar in einer emotional schwächer besetzten Angelegenheit. Brüderles unfeine Art kommt da gelegen, ein alter weißer Mann darf gehasst werden.

Vermutlich wird er alsbald für alle sexistischen Übergriffe verantwortlich gemacht, nicht gerade als deren geistiger Brandstifter, vielleicht als geistiger Klimaerwärmer.

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