Sonntag, 5. Februar 2017
Die Ungeliebte
Wie schreibt eine moderne Frau über ihre persönlichen Probleme, die da wären Hitzewallungen wegen Klimakterium, Altern, Tod, Krankheit, Furcht vor Kriminalität, Mangel an Liebe und Sex?
Entweder wie Charlotte Roche oder wie auf spiegel.de: „Während die westliche Welt sich gerade in Furcht vor Muslimen vereint, gibt es so vieles mehr, was größer, stärker und wirkungsvoller ist, um unser Leben auszulöschen. Nur ein Bereich ist die Bedrohung durch Atomwaffen, elektromagnetische Pulsbomben, das kaum gesicherte Plutonium, das überall zum Diebstahl einlädt, oder der Klimawandel.“

Kürzer, präziser ist das nie nach außen projiziert worden, jedenfalls nicht in leichter Sprache.

Der Aufmacher lautet: „Im Westen haben gerade viele Leute Angst vor dem Islam, dabei gibt es viele größere Gefahren für unser aller Leben: Hat Donald Trump das Köfferchen mit den Codes für seine Atomraketen eigentlich immer dabei?“, bebildert mit einer Explosion einer Wasserstoffbombe.
Im Text zwischengeschaltet Werbung für Hotel und Herrenhemden.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Sonntag, 13. November 2016
Warnung und Mahnung
Sibylle Berg geht jeder Unterhaltungswert ab, aber man darf nicht unterlassen, sich zu informieren, was sie schreibt, denn das ist paradigmatisch.

„Stellen wir uns kurz vor, über etwas anderes wie zum Beispiel - das Klima-, würde in so überproportionierter Ausführlichkeit berichtet, wie seit gefühlten Jahren über den Islam. Würden sich dann Klimawutparteien gründen? Bewegungen, die nicht populistischen Bullshit wie: "die Homosexuellen werden uns alle töten" und "ein modernisierter Sexualkundeunterricht will uns unsere Wohnungen abfackeln" vertreten, sondern Parteiengründung aus Wut wegen etwas, das die Ursache von wirklich ergreifenden Untergangszenarien sein kann.“

Man muss sich klarmachen: diese Frau hält sich für normal. Sie glaubt, was sie schreibt, und meint es so. Ihrem Verständnis nach setzt sie sich mit der Welt auseinander und durchdringt die informationellen Angebote, positioniert sich und hat etwas mitzuteilen.

Genau wie wir.

Das heißt: Nur weil wir bei der Fingerbewegung auf der Tastatur das Sprachzentrum beteiligen, sind wir noch lange nicht intellektuell aktiv, das heißt erst einmal nur, dass wir in der Lage sind, eine Schreibmaschine zu bedienen. Niemand garantiert uns, dass wir uns in einem ideologischen Zirkel bewegen und aus unseren Konsensprämissen auf die Vorurteile schlussfolgern.

Wir müssen uns immer wieder selbst fragen, ob das, was wir meinen, auf Ausblendung beruht, auf gefilterter Wahrnehmung, auf Vorbewertung. Dies lässt sich überprüfen mit der Frage danach, welchen Aufwand wir betreiben, etwas nicht wahrhaben zu wollen. Etwa: Machen wir uns Mühe, an Sibylle Bergs Artikel etwas zu übersehen, damit wir unser Bild von Sibylle Berg behalten können? Gibt sich Sibylle Berg Mühe -- gedankliche, nicht emotionale --, an etwas Relevantem vorbeizudenken?

So müssen wir uns immer wieder selbst testen, wenn wir nicht sein wollen wie Sibylle Berg.
Sie sei uns Warnung und Mahnung.



http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/angstvermarktung-das-klima-muss-weg-kolumne-a-1120441.html

... link (0 Kommentare)   ... comment