Sonntag, 2. August 2015
Emotionenpresse
Das neue Feindbild heißt besorgter Bürger. Ihm wird unterstellt, sich als besorgt zu tarnen und sich auf ein Bürgerrecht zu berufen, wo er eigentlich nur ungezügelt rassistisch sein will und vom Stammtisch aufgebrochen ist, an dem es auf Dauer zu teuer wird.
Klar, für Bürgersorgen ist kein Platz, dafür ist die Politik da, die sich nicht gern hereinreden lässt.
Die Presse ist für Besorgnisse von Bürgern ebenfalls nicht zuständig, besorgte Bürger zahlen keine Anzeigen, geben keine Pressekonferenzen, nur in Ausnahmefällen, und dann sind sie so gar nicht wie beschrieben, und sie geben schon gar keine Hintergrundgespräche, in denen sich die Journalisten aufgewertet fühlen, weil sie dabei sein dürfen.
So weit ist es verständlich. Erklärungsbedürftig bleibt, wieso die Presse ihnen die rationalen Sorgen nicht einfach zubilligt und anschließend nicht ernstnimmt, sondern stattdessen nur emotionale Trottel beschreibt.
Man könnte annehmen, Richtlinien und Verbote ließen es nicht zu. Dies wäre aber die einfachere Erklärung, der mithin zu misstrauen ist, gegenüber der weniger angenehmen, die bei den Journalisten gar nicht so viel Einsichtsfähigkeit voraussetzt: Sie können Informationen gar nicht mehr anders als emotional verarbeiten. Sie können gar nicht mehr differenziert verstehen. Es geht ihnen gar nicht mehr um das Verständlichmachen, zu dem das Vereinfachen eingesetzt würde, sie erkennen nur, was ins Schema der eigenen Emotionen passt. Und das ist entweder die deckungsgleiche Entsprechung oder der Antagonismus. Also: sie erkennen die eigene verdrängte Feindlichkeit bei den anderen. Gewendeter Rassismus, man sieht die Rassisten, damit man von woanders aus geguckt hat. Man braucht Tabubrecher, um das eigene Tabu zu bestätigen. Also findet man welche, wo man sie kriegen kann.

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