Sonntag, 3. Juli 2016
Aufarbeitung als Generationenkonflikt
Mitunter ist zu vernehmen, man werde sich später einmal den Fragen der jungen Generation ausgesetzt sehen, warum man denn damals, also jetzt, den Wahnsinn zugelassen habe, der Entdemokratisierung und der Erosion des Rechtsstaates tatenlos zugesehen habe.

Diese Aussicht ist ein rein literarischer Ausdruck von nicht aufgegebener Hoffnung. Es wird nicht dazu kommen.
Denn, erstens, wer soll diese Fragen stellen?
Zweitens sind die Bedingungen ganz andere als die, unter denen sie von der im weiten Sinne gefassten Achtundsechziger-Generation an die Vorgeneration gestellt wurden. Damals war eine zu Demokratie erzogene oder wenigstens angehaltene Generation entsetzt über die Vergangenheit, konnte sich indes nicht vorstellen, wie es ist, unter einer Diktatur zu leben und niemals den Wert des eigenen Denkens, des Widerspruchs, nahegebracht bekommen zu haben.
Ferner setzte sich die junge Garde eben gerade nicht mit den eigenen Eltern zu Hause auseinander, sondern allgemein überhöht mit der alten Generation – weil das einfacher ist und weil man damit eine Handhabe hat gegen die, in deren Institutionen man marschieren will.

Auch damals war „Was habt ihr getan?“ keine interessierte Frage, sondern propagandistisches Schlagwort, durch dessen Gebrauch man schon einmal besser ist als der, an den es gerichtet wird. Es entsprach der politischen Linie, es war ein Instrument zur Herrschaftsgewinnung.
In der DDR übrigens gab es das nicht, da waren die Alten die ruhmreichen Widerstandskämpfer.

Die nächsten Jungen werden in der Schule noch mehr von Ohnerassismus und Antipopulismus lernen, sie werden die vorwurfsvollen Fragen als Hausaufgaben aufkriegen: Was habt ihr gegen Pegida und AfD und Brexit getan?

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