Mittwoch, 19. Juni 2013
Randgruppenverehrung als Todesverleugnung
Wir haben gesehen, wie die Randgruppenschutz-Rhetorik als Herrschaftsinstrument eingesetzt wird zur Sicherung der Macht und es dabei gar nicht um die Exemplare der Randgruppe geht, sondern um den Zweck des Machterhaltes.
Es lohnt eine Betrachtung, warum das funktioniert.
Bekanntlich läuft es so, dass der Adressat der Herrschaftsrhetorik ins Unrecht gesetzt wird, er muss aus vorgeblich gerechtigkeitssozialen Gründen sich fügen und damit unterwerfen. Das ist es, worum es geht.
Dass die Randgruppenverehrung ersatzreligiöse Züge angenommen hat, ist indes kein Zufall.
Es ist ja nicht so, dass wir den Schritt von der jüdisch-christlichen Tradition zur Aufklärung immer wieder erneuern würden. Wir haben einfach „mit der Kirche nichts am Hut“. Wir wissen nichts von der Bedeutung der Evangelien und brauchen deshalb keine Aufklärung, die uns eine Grundlage gibt unabhängig von einem Gottesbezug. Die meisten halten Würde des Menschen für schwammige Begriffe, ohne zu ahnen, was Würde, Schwamm und Begriffe sind.

Das Bild einer entrückten kohärenten Gemeinschaft ersetzt nicht etwa Gott, aber die frohe Botschaft. Sie verheißt das ewige Leben, nämlich auf der mentalen Ebene, auf der wir unsere Individualität und die der anderen Individuen verdrängen. Sie hilft, die eigene Vergänglichkeit zu verleugnen. Wir haben ein ewiges Gegenüber. Die Randgruppe wird nie verderben, nur der Einzelne kann sterben.

Die Gemahnung an die zu ehrende und zu fürchtende Gemeinschaften füllt das verlorene Bedürfnis nach Selbstschätzung, die dem Unterworfenen ausgetrieben wird, nach Ausgang aus selbstverschuldeter Unmündigkeit, die der Herrschaft entgegenstünde, wofür notwendig die Sterblichkeit vergessen werden soll, sie spendet Trost und Hoffnung. Wie Stanislaw Lem sagte: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

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