Montag, 4. Dezember 2023
Ruhegrammatik
Das ist so ein Beispiel dafür, wie das übernommene Zeitungsdeutsch verhindert, etwas zu sagen, das Wirkung hätte. Eine Vorsitzende des Hausärzteverbandes hat Gelegenheit, was zu sagen, und redet in den grammatischen Konstruktionen, die sie so kennt und immer hört, und sie denkt nun, sie müsse das auch so tun, um medienkompatibel zu sein:

Von einer Entspannung der Situation ist derzeit nichts zu spüren, im Gegenteil legten die Rückmeldungen der Kollegen nahe, dass sich die Lage im Vergleich zu vergangenem Jahr eher weiter zugespitzt habe, die Hausarztpraxen kämpfen jeden Tag mit massiven Lieferengpässen bei vielen dringend notwendigen und weit verbreiteten Medikamenten, inzwischen sei eine ganze Palette von Medikamenten, die in den Hausarztpraxen regelmäßig verschrieben würden, von Lieferschwierigkeiten betroffen, es besteht in der Kinder- und Jugendheilkunde vor allem im Bereich der Fieber- und Schmerzsäfte sowie der Basisantibiotika ein Engpass, der sich mit zunehmender Infektionslage noch deutlich zuspitzen wird, eine wirksame Abhilfe ist derzeit leider kaum in Sicht.

Klingt alles wie immer, nach Warnung und Weckruf, Aufforderung an die Politik, nun endlich vielleicht doch.
Zuspitzung und Entspannung sind ohnehin nicht zu spüren, sondern zu deuten, wie soll das Kämpfen mit Lieferengpässen eigentlich aussehen?
Wortgeklingel.
Harmlos.
Alles das Problem der kämpfenden Praxen.
Da verliert sie.
Sie versteht die Szene nicht, in der sie sich befindet. Sie kann nicht das Politsprech kopieren und glauben, dann müsse ja etwas folgen. So funktioniert es nicht.
Sie müsste den Verursacher benennen und die Praxen auffordern, keine Parteimitglieder zu behandeln.
Das gäbe einen Hassaufschrei, aber es wäre das Problem der Partei.

Es gibt bloß im Zeitungsdeutsch kein Wort dafür, darum kommt niemand auf solche Ideen.
Wenn die Dame überhaupt etwas anderes vorhat, als den Ärzten gegenüber als Ruhighaltefunktonärin zu wirken.

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