Donnerstag, 25. April 2013
Gefühltes Kapitalverbrechen
In der gefühlten und vermittelten Wahrnehmung ist Uli Hoeneß ein größerer Gauner als zum Beispiel Bushido oder der unbekannte Schläger in der U-Bahn. Warum erscheint uns die alltägliche rassistische Gewalt geringer als das Verheimlichen von Kapitalerträgen aus versteuertem Geld gegenüber dem Finanzamt?
Hier erscheinen drei Gründe einschlägig. Dass wir Migranten brauchen und deshalb auch die Minderqualifizierten aushalten müssen, gehört nicht dazu, das ist eine argumentative Folgeerscheinung, keine Ursache.

Einmal soll Steuerhinterziehung Volkssport sein, und wie beim Fußball guckt man eben bei den Bayern genauer hin als bei den Amateuren, zudem ist man froh, wenn es einen da oben erwischt, da fühlt man sich selbst gleich viel ehrlicher. (Anmerkung: Der Verfasser dieser Zeilen, das bin ich, ist auch da äußerst unsportlich, ich lasse mich lieber vom Finanzamt ausnehmen, als den Aufwand für Steuersparmodelle und Steuerberater zu haben.)

In der Logik einer entwickelten sozialistischen Gesellschaft, und dazu entwickeln wir uns, liegt es, dass jeder vom Staat das meiste will und ihm das wenigste geben möchte, aber darauf achtet, dass andere ihren Beitrag leisten und nichts ausnutzen.

Dass die Wahrnehmung im Vergleich zu den Gewalttaten verschoben ist, liegt gerade daran, dass man die Bedrohung verdrängen möchte und dazu die Hoeneßhysterie eine willkommene Möglichkeit bietet. Das Opfer der Schläger ist immer nur einer, deshalb lässt man sich vorlügen, das wären Einzelfälle. Steuersünder vergehen sich an uns allen, die müssen wir abwählen.
Wir lassen uns vermitteln, das Verprügeln erfordere weniger kriminelle Energie als das Steuerhinterziehen, denn das Opfer war den Schlägern irgendwie im Wege.
Die Information einer Gewalttat tangiert uns nicht, wir fühlen uns verschont. Wir können uns belügen lassen, wir wären nicht betroffen, es ginge uns nichts an.

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