Mittwoch, 6. Juli 2016
Opfer der Gesellschaft
Wem der Fall der Linkspolitikerin, die nicht die ethnischen Merkmale ihrer Vergewaltiger preisgeben wollte, kurios anmutet, in der Art: „so weit geht politische Korrektheit, nicht mal als Opfer sieht sie die Täter“, missversteht ihre Motive und ihre Lage. Scheinbar wollte sie nicht die Überbringerin einer Nachricht sein, die nicht sein kann, weil sie nicht sein darf, scheinbar wollte sie nicht alle unter Generalverdacht stellen, wie es sich eben gehört.

Doch es ging ihr nicht darum, die Schützlinge zu schützen.

Sie wollte sich schützen.

Sie wäre in ihrer Gruppe die Geschändete gewesen, weil sie dem Gegner Material geliefert hätte. Sie wäre zur feindlichen Kämpferin geworden, zur Ausgestoßenen.

Es spielt keine Rolle, was sich zugetragen hat. Oder was die Wahrheit ist. „Wahr ist, was uns nützt, falsch ist, was dem Gegner nützt“, das ist die Denkhaltung dieser Subgesellschaft, die sich über die gesamte Gesellschaft stülpt.

Und sie glaubt es ja wirklich selbst, dass sie dann die Hexe wäre.

Sie ist ein Opfer ihrer Gesellschaft.

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"Feindliche Kämpferin"
klingt in dem Zusammenhang etwas euphemistisch, man würde sie wohl eher eine Kollaborateurin schimpfen. - Der Fall zeigt überdeutlich, wie sehr unter dem Druck der Ideologie die Rezeption die innere und äußere Realität nicht nur filtert, sondern erforderlichenfalls auch ins Groteske verformt. In Klemperers Tagebuch findet man die Begebenheit, bei welcher eine deutsche Frau gegen Ende des Krieges im Angesicht des Postboten, der die Todesnachricht ihres Mannes von der Ostfront überbringt, in anhaltendes hysterisches Geschrei ausbricht: Die Juden sind schuld! Die Juden sind schuld!
Die Frage, ob die jeweilige Sprecherin tatsächlich glaubt, was sie da sagt, ist wohl irrelevant; wer so sehr fremdgesteuert ist, kann kaum Anspruch auf ein eigenes Urteil erheben.

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Genau, Anspruch auf
eigenes Urteil soll ja gerade abgeschafft werden.

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Ich bin über diese Story so fassungslos,
dass mir sogar eine Bemerkung des ehemaligen Präsidenten des Österreichischen Verfassungsgerichtshofes, Ludwig Adamowich zum Fall Kampusch einfällt:

„die Zeit ihrer Gefangenschaft womöglich "allemal besser" gewesen sei "als das, was sie davor erlebt hat".
- derstandard.at/1292462417623/Urteil-aufgehoben-Adamovich-gewinnt-gegen-Kampuschs-Mutter

Ob es Opfer gibt, die bestimmte Verbrechen schon aus eigener Nähe kennen und deswegen gewissermaßen desensibilisiert sind? Dann würde auch die Annahme des Zwanges der eigenen sozialen Gruppe vielleicht weniger schwerfallen?

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