Sonntag, 22. Mai 2016
Heilfrohsinn
Wenn Lammert es dabei belassen hätte zu sagen, er fühle sich auch nach den jüngsten Entwicklungen in Österreich sehr in seiner Zurückhaltung bestätigt, was die vermeintliche Überlegenheit plebiszitärer Wahlverfahren gegenüber repräsentativen Verfahren betreffe, hätte man ihn als Verfechter des Parlamentarismus, der repräsentativen Demokratie, angesehen. Ja, das Volk arbeitet nicht in den Ausschüssen und schließt keine Kompromisse, die Abgeordneten handeln Details aus. Schön.
Aber er musste noch nachschieben: „Oder mit anderen Worten: Ich bin heilfroh, dass wir in Deutschland den Bundespräsidenten in einer eigens zu diesem Zweck zusammengerufenen Bundesversammlung wählen und nicht in einer Direktwahl.“
Was hier erschrecken sollte, ist nicht die Anmaßung der Überlegenheit, sondern die Ungeniertheit, mit der sie zur Schau gestellt wird. Die Bundesversammlung entspricht, so hat es Lammert in seiner Rede zur letzten Bundespräsidentenwahl ausgeführt, den aktuellen Mehrheitsverhältnissen, die Legitimität ist damit begründet. Aber ein Grund, heilfroh zu sein, dass das Volk nicht selbst zur Wahl schreitet, heißt, es ist zu doof, seinen obersten Repräsentanten zu wählen.
Das kann man so sehen, dann ist aber der ganze Bundestag von Doofen gewählt und der Bundestagspräsident zwar von den Besseren, die aber ihrerseits nur ein Mandat von den Doofen haben.
Damit scheint er kein Problem zu haben.
Die Probleme gehen dann los, wenn die demokratisch legitimierten Herrscher den Doofen nicht genug das Gefühl geben, einbezogen zu sein, und andere sich anschicken, sich durch die Doofen wählen zu lassen.
Mit so einer Haltung könnte Lammert die Zeit, in der er noch heilfroh ist, stark begrenzen.

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