Samstag, 24. Juli 2021
Schuldgefühle
Zu der häufig gestellten Frage, ob die Schurken wissen, dass sie schlecht sind, gibt es auf faz.de ein Beispiel aus dem nichtpolitischen Bereich. Man kann es kaum ertragen zu lesen, jetzt nach fünfzig, sechzig Jahren wird aufgearbeitet, dass Kinder in Kurverschickungseinrichtungen misshandelt bis missbraucht wurden. Nicht nur und nicht alle, aber mehr, als dass es Ausnahmen gewesen wären. Ein Punkt dabei: die Kinder durften in ihren Briefen nichts, was den Eindruck von Unzufriedenheit erwecken könnte, schreiben, sondern mussten mitteilen, es geht ihnen gut und das Essen schmeckt.

Dies nun ist ein Beweis für das Unrechtsbewusstsein. Die Betreiber wussten, was eigentlich gut gewesen wäre. Sie hielten sich nicht nur für streng oder pädagogisch wertvoll, weil sie es nicht besser gewusst hätten, sondern sie hielten sich für schlecht.

Dies nun war ein zufälliges Vergleichsbeispiel. Despotische Herrscher möchten gern vom Volk geliebt sein und Wahlen gewinnen. Sie möchten für die Macht, die sich anmaßen, eine moralische Legitimation. Sie möchten gern Demokraten sein, und zu diesem Zweck müssen die anderen keine sein, sondern Faschisten oder schlimme Menschenfeinde.

So kommt es, dass die Vorwürfe, die an die anderen gerichtet sind, immer genau das widerspiegeln, ob seitenverkehrt oder deckungsgleich, was die Machtanmaßer selbst sind.

Nicht der Dieb gibt sich als Weltretter aus, der Weltzerstörer gibt sich als Weltretter aus. Der Dieb verteilt gerecht.

Wir sollten auf die Lügen hören. Mit ihnen geben sich die Lügner zu erkennen.

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