Donnerstag, 27. Oktober 2022
Unabwägbares Wagnis
Wie man weiß, wurden bei Wahlen in der DDR nur die Zettel gefaltet und eingeworfen. Schlimmer als der Gang in die Wahlkabine war, gar nicht wählen zu gehen, darin zeigte sich die größere Ablehnung, die Verneinung der Wahl als solcher, als die man mit der Gegenstimme den Vorgang noch anerkannte.
Es gab aber Abstufungen bei der Bekundung der Zustimmung. Ganz überzeugte Genossen wählten bis 8 Uhr, morgens. Demgegenüber hatte die Stimmabgabe am Nachmittag schon etwas von minderer Bedeutung, die man der Sache beimaß. Überraschenderweise war die Möglichkeit, schon vorher im Rathaus oder so die Stimme abzugeben, nicht Ausdruck von noch größerer Überzeugung, sondern leichter Distanzierung. Ein bisschen was anders, ohne offen zu opponieren. Nuancen sind von Belang.

Als eine ähnliche Leichtdistanzierung kann man die Stellenausschreibungen mit m/w/d statt mit Deppinnensternchen oder Doppelpunktierung ansehen, da wird wenigstens noch richtige Grammatik angewandt. Man zeigt, dass man sich der Vorschrift fügt, aber keine eigene Ambition verfolgt und den ganzen Quatsch nicht mit Initiative mitmacht.
Diesen Anschein hat es zumindest. Es würde ja keiner so sagen.
Würde niemand wagen.

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