Sonntag, 31. Januar 2016
Übersprungshandlungsfähigkeit
Die berühmte Haltung der Hände der Bundeskanzlerin ist ein Zeichen von Nervosität, ein Überspielen von Nervosität. Beide Hände berühren einander an den Spitzen und vermeiden somit Übersprungshandlungen wie Kratzen an der Nase oder Fuchteln mit den Armen. Daran ist nichts Verwerfliches, alle Öffentlichkeitsarbeiter trainieren sich Standardgesten an, um in unsicheren Momenten nicht idiotisch zu wirken.

Verwerflich ist aber, wenn die Politik auch nur aus solchen Symbolgesten besteht.

Die Abschieberegelungen sind nichts anderes. Sie sind überhaupt kein Handeln, sollen aber Handlungsfähigkeit demonstrieren. Bestenfalls und bei wohlwollendster Betrachtung zeigen sie lediglich eine interne Verständigungsfähigkeit. Man kann sich einigen. Gehandelt ist damit überhaupt nicht, soll ja nicht.

Merkels Wende von „die meisten werden bleiben“ zu „die meisten werden wieder gehen“ ist die Rückkehr zur klassischen Politik, nämlich der des Verschiebens. Ansage und Beschluss scheinen irgendwie angemessen, die Probleme tun sich in der Zukunft auf. So läuft es gewöhnlich. Damit ist man zufrieden.

Merkel hatte im Sommer zum ersten Mal erlebt, wie ein als Handeln dargestelltes Unterlassen sofortige Auswirkungen zeigt. So was mag man gar nicht.
Jetzt hat man Maßnahmen geliefert, die für Ruhe im Lande sorgen, wenn es nicht wieder irgendwelche störenden Miesmacher gibt. In einigen Jahren wird man sich erzählen können: Ja, es war eine Lebenslüge zu glauben, die werden wieder gehen, dabei hätte man damals integrieren müssen.
Da wird man sich an Merkel nicht mehr erinnern, allenfalls an die gute alte Zeit unter der Kanzlerin.

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