Donnerstag, 11. Juni 2015
Kommode Vereinbarkeit
Was von Günter Grass bleiben wird, ist das Wort von der „kommoden Diktatur“, Rollenprosa, einer Figur in den Mund gelegt, von Grass-Lesern geschmeidig aufgenommen.
Besser kann man die Sehnsucht nach einer Diktatur nicht ausdrücken. Freiheit ist die Freiheit der anderen, deshalb wird sie abgelehnt. An der Demokratie sind zu viele Leute beteiligt. Aber eine gemäßigte Diktatur, in der man seinen Platz hat und es sich einrichtet, da lässt es sich leben, und vor allem: da kann man aufsteigen. Herrschen durch dienen. Ein Vernichtungssystem braucht es nicht gleich zu sein, es genügt eins, bei dem man auf der richtigen Seite sein kann und weiß, wie es läuft, um sich seine Vorteile zu sichern.

Der ZEIT-Journalist, der angesichts des türkischen Wahlergebnisses meint, aha, Islam und Demokratie sind also doch vereinbar, meint damit die Vereinbarkeit von Islam und Journalismus.

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Mittwoch, 10. Juni 2015
Merkel-System
Es beginnen die Spekulationen über die Nachfolge von Merkel, ähnlich wie vor zwanzig Jahren über die von Kohl, nur mit dem Unterschied, dass diesmal nicht Schäuble favorisiert wird.
Aber auch sonst niemand.
Man erwartet allenfalls, so wie man ein Sommerloch erwartet, von der Leyen oder de Maizière. Diese Gedanken sind so leer, dass man sie gar nicht durchdenkt. Und dann schreiben die Kommentatoren, in der CDU wachse die Sorge, was nach Merkel passiert.
Keiner der Journalisten, die sich damit befassen, tangiert auch nur einmal die Frage, was mit Merkel eigentlich gemeint sein soll. Nach Inhalt fragt man gar nicht mehr, völlig absurd wäre die Frage nach einer Haltung.
Es ist zu einfach, die Haltungsferne in der DDR-Vergangenheit begründet zu sehen. Das ist Berliner Republik. In die Wahl 2005 ging sie noch mit Friedrich Merz und Paul Kirchhof und der Ankündigung durchzuregieren und schrammte knapp an der Niederlage vorbei, daraus hat sie gelernt und nie wieder ein anderes Angebot gemacht als das des kleineren Übels.
Die Wähler haben es goutiert.
Die Journalisten erst recht, die sind froh zu wissen, an wen sie sich halten müssen, und dankbar über die Sicherheit, die es ihnen gibt, dass niemand aus der CDU eine Kompetenz erlangt, Merkel gefährlich zu werden.
Auf Merkel folgen werden Wagenknecht und Bartsch.

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Dienstag, 9. Juni 2015
Kalenderblatt
Auf Deutschlandfunk gibt es jeden Tag nach den 9-Uhr-Nachrichten „Das Kalenderblatt“, eine Erinnerung an ein Ereignis, das an diesem Datum vor einer wechselnden Zahl von Jahren stattgefunden hat. Der Beobachtung nach liegt es mindestens zehn Jahre zurück.
Es besteht also die Aussicht, dass wir in zehn Jahren im Kalenderblatt etwas über das Kalenderblatt erfahren.
Es heißt nämlich seit Kurzem um fünf nach neun nicht mehr: „Und nun, meine Damen und Herren, das Kalenderblatt“, sondern nur noch: „Und nun das Kalenderblatt.“
Ohne Damen und Herren.
Das kann zwei Gründe haben. Entweder will man eine junge Zielgruppe erreichen, die sich nicht als Damen oder Herren bezeichnet. Diese Möglichkeit kann man wohl ausschließen.
Oder: Die Hörer sollen sich nicht mehr als Damen oder Herren angesprochen fühlen, weil sie durch diese Anrede sozial geschlechtlich konstruiert werden, und gleich gar nicht sollen die Männer sich als Herren fühlen.
Vielleicht werden wir die Gründe in zehn Jahren genau erfahren, wenn es wieder heißt: Und nun Kalenderblatt.

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Montag, 8. Juni 2015
Demokratisches Verständnis
Einmal saßen in einer Phoenix-Runde journalistische Experten zusammen und redeten über Erdogan, damals noch Ministerpräsident. Er werde bald Präsident und habe dann von der Verfassung nur repräsentative Funktion, war man sich gewiss. Nur Necla Kelek sagte, dann werde er die Verfassung ändern, so wie er die Sache mit dem Kopftuch an Universitäten geändert habe.

Heute, nach der Parlamentswahl, sind sich alle einig, von einer Wahlschlappe zu sprechen, sogar Claudia Roth sagt, die Politik von Gewalt und Spaltung sei danebengegangen oder so was.
Es spricht ja für die demokratische Gesinnung der Journalisten – Gesinnung in dem Sinne, dass sie nie was Anderes erlebt haben – dass sie sich trauen, auf den von der Wahl Geschwächten einzuschreiben.
Wer etwas von der Angelegenheit versteht, sollte aber wenigstens dahin gelangen zu fragen: Was macht er jetzt?

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Sonntag, 7. Juni 2015
Schiffbruch in der Presse
„Tausende Schiffbrüchige auf dem Mittelmeer gerettet“, meldet der Tagesspiegel. „Unter Beteiligung der deutschen Marine sind auf dem Mittelmeer fast 3500 Flüchtlinge in Sicherheit gebracht worden. Sie waren vor der libyschen Küste unterwegs, zum Teil in einfachen Schlauchbooten.“ Gebracht wurden sie nach Sizilien.

Man darf es nicht unterlassen, Menschen vor dem Ertrinken zu bewahren, unabhängig von Zwecken und Umständen. Auch, wenn sie es darauf anlegen. Auch, wenn dadurch noch mehr Nachmacher es darauf anlegen. Auch, wenn dadurch so viele aufbrechen, dass wieder viele ertrinken.

Was nicht geht, ist, dass eine Presse, die den Begriff Lügenpresse von sich weist, von Schiffbrüchigen schreibt. Das wären die ersten Schiffbrüchigen ohne Schiff.

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Samstag, 6. Juni 2015
Runder Herrschaftsanspruch auf das Runde
Nur weil sich die einen als rund bezeichnen, werden die anderen nicht eckig.
Weil eckig so ungemütlich klingt und Kampf gegen eckig legitim scheint, wollen alle zu den Runden gehören.
Blöd ist nur, dass diejenigen, die sich von den Runden nicht beherrschen lassen wollen, irgendwann selbst glauben, na dann sind wir eben eckig.
Da ist man aber den vorgeblich Runden bereits auf den Leim gegangen; aus der eckigen Ecke heraus kann man nur das vorgegebene Spiel mitspielen.
Das Spiel kann man aber nur gewinnen, wenn es lautet: ihr seid so wenig rund wie wir eckig.

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Freitag, 5. Juni 2015
Pressefresse
Lügenpresse ist ganz schlimm, das impliziert, dass die Journalisten die Leser anlügen wollen. Das stimmt deshalb nicht, weil den Journalisten die Leser ziemlich egal sind.
Kollaborationspresse wäre treffender.

Zum Beispiel Tagespiegel.de mit einer gewöhnlichen Verniedlichung:
http://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/berlin-moabit-massenschlaegerei-auf-spielplatz-90-polizisten-im-einsatz-zwei-verletzt/11868664.html#kommentare

und mit einer gewöhnlichen Kopftuchpropaganda:
http://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/streit-in-neukoellner-bezirksamt-betuel-ulusoy-will-mit-kopftuch-karriere-machen/11871848.html

Beide Berichte saudämlich und eine Beleidigung für den Leser.
Die Leserkommentare sind überwiegend besser als der Artikel und eine Meldung, sich nicht derart veralbern lassen zu wollen.

Man ist dazu übergegangen, die Kommentarfunktionen bei solchen Texten offen zu lassen. Auch wenn die Kommentare die Propaganda widerlegen -- ist egal. Sollen sie sich blödschreiben, die Leser. Eine Macht haben sie nicht.

Es geht nicht mehr darum, dass man als Propagandajournalist aufgeflogen ist, wenn die Propaganda widerlegt wird. Na und. Ein Problem hätte man, wenn man propagandalos geschrieben hätte. Aber warum sollte ein Journalist das tun? Er macht, wofür er bezahlt wird.

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Donnerstag, 4. Juni 2015
Herrschaftsinstrument Politikunfähigkeit
Der Ex-Vize-Bild-Chefredakteur N. Fest beschreibt, ähnlich heute J. Schuster auf welt.de, die Politik-Unfähigkeit der Politiker, die als Ersatz mit Humanität und Moral ankommen. Statt Interessen zu vertreten, wird die Moralkeule geschwungen.
Die Beobachtung ist richtig. Was der Zivilbürger nicht versteht, ist warum.
Der Grund liegt nicht in der Ambition, nicht im Gutgemeinten, das die Realität ausblendet. Das ist, warum es funktioniert bei den Leuten.
Die Politikkaste und die Ausbeuterklasse verwenden es zu ihrer eigenen Herrschaft und weiter nichts. Test: Kann man etwas gegen Steini, Gabi, Nahli, Schwesi, Becki, Hofreiti, Claudi, Özdemi und so weiter vorbringen, ohne mit der Phobiekeule niedergeknüppelt zu werden? Geht nicht. Und das ist der Zweck. Die Beherrschten haben zu schweigen. Ihre Zustimmung ist so überflüssig wie ihre Kritik, sie sollen die Herrscher bezahlen. Das ist alles. Und weil die Herrscher nicht in der Lage sind, vom gemehrten Nutzen zu leben, müssen sie herunterwirtschaften und von der Substanz leben.

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Mittwoch, 3. Juni 2015
Kleineres Übel, verglichen mit Journalisten
Man kann vielleicht nicht mit endgültiger Sicherheit, aber doch mit für den Moment ausreichender Wahrscheinlichkeit sich auf die deutsche Presse verlassen bei der Beurteilung von Herrschern und Herrschaftssystemen. Ist die Presse kritisch, handelt es sich um jemanden aus der Kategorie kleineres Übel, ist sie des Lobes und differenzierenden Verständnisses, handelt es sich um einen übelsten Despoten.
Ägyptens Al-Sisi wird stärker bekrittelt als Mursi, so dass man sich darauf verlassen kann, dass Sisi für Ägypten das Bestmögliche ist. Wünschen wir Sisi alles Gute, und behalten wir bei allen Medienberichten ein Bild von dem Gewürm vor Augen, das sie verfasst.

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Dienstag, 2. Juni 2015
Faschistoider Mentalzustand
Heute erklären wir, wie sich ein faschistoides System oder Teilsystem anfühlt, gemeint ist die Wirkung der totalitären Herrschaftsanmaßung auf die Einzelperson.
Gemeinhin stellt man sich vor und soll sich es so vorstellen, da sind alle gegen Juden und gegen Homos und gegen alles Fremde und deshalb für den Führer und wollen Pogromstimmung.
Das ist falsch.
Das Alleinstellungsmerkmal ist: Angst, verdächtigt zu werden.
Gleich, ob zu Recht oder zu Unrecht.
Wessen man verdächtigt werden könnte, ist eindeutig, aber austauschbar. Für oder gegen Homos zu sein, Feminismus, Islam, Deutschland, Grundgesetz, links, rechts, liberal zu sein, je nachdem. Immer ist die Verdächtigung das Problem dessen, der in Verdacht gerät, nicht desjenigen, der anzinkt oder etwas zu beweisen hätte.
Wenn es darum geht, ob die Bachmann-Kandidatin nur wirklich so schlimm rechts antifeministisch sei oder nicht, statt darum, mit welchem Recht sie denunziert wird, betreibt man dieses Spiel als Mitläufer.

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Montag, 1. Juni 2015
Keine Israelkritik im KZ
Wie es ist, wenn Ahnungslosigkeit auf Ignoranz trifft, macht Sibylle Berg mit bestem Wissen und Gewissen vor; wenn ein CSU-Politiker meint, nicht allen Schülern sei ein Besuch in der KZ-Gedenkstätte zuzumuten, dann schrillen bei ihr die politischkorrekten Fahrradklingeln. Sie denkt, hier würde Vergangenheit geklittert. Das ist so Achtziger.

Warum manche sollen und manche nicht, sind zwei Fragen. Wenn man meint, manche Schüler brauchen aus rassischkulturellen Gründen nicht, sagt das was darüber aus, warum man die anderen hingeschickt hat. Aus falschen Gründen.
Und warum die bestimmten lieber nicht hinsollen, das traut man sich kaum zu sagen, so dass Sibylle Berg nichts davon wissen kann. Nicht, weil die nichts damit zu tun haben. Sondern weil man fürchtet, das KZ könnte Zustimmung auslösen. Nahostkonflikt. Und das, wo gerade jüdisches Leben wieder. In Deutschland.
Nein, da wehrt man den Anfängen.

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Sonntag, 31. Mai 2015
Genderschaftliches Gebaren
Die Geschichte der Wissenschaft ist voller Fehler und Irrtümer, die sich oft lang gehalten haben, bis die Forschung zu einer Korrektur kam.
Dass zum Beispiel am gemutmaßten Zusammenhang zwischen Schädelform und Hirnfunktionen nichts dran ist, zeigte die Schädelforschung. Nachdem sie damit längst erledigt war, wurde sie im Dritten Reich noch einmal hervorgeholt und als ideologische Pseudolehre zementiert.
Man kann also vermuten, dass der Wissenschaft eine Fähigkeit zum Erkenntnisgewinn innewohnt, bei Anwendung wissenschaftlicher Methoden.
So ließe sich erwarten, dass auch der Genderforschung eine wissenschaftliche Evaluation bevorsteht.
Man ist ja geradezu angetan von kritischen Artikeln über mangelnde Wissenschaftlichkeit der Gendergurus, man hegt die Hoffnung, damit würde der Genderwahn bereits bekämpft. Mit einigen zaghaften Artikelchen.

Keine Chance.
Man befasst sich mit der Lehre statt mit den Herrschenden.
Der totalitäre Ansatz ist das Übel, die Machtstruktur und die angemaßte Herrschaft. Trivial und austauschbar ist das vorgetäuschte Anliegen. Sozialismus, Nationalsozialismus, Geschlecht, dafür oder dagegen, völlig gleich.
Man sollte thematisieren, wie die Genderei eine Methode ist, Geld zu generieren. Das Grüne Versorgungswerk müsste es sein, um was es geht. Die Truppen der Lehrstühle und Gremien, die wären das Thema, sie sind zu bekämpfen und zu stürzen.

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Samstag, 30. Mai 2015
Kritikersatz
Der Spiegel-„Der Kritiker“ Diez setzt Hoffnungen in die Wiederaufnahme des „Literarischen Quartetts“, damit wieder echte scharfe Kritik zu erleben sei in der allgemeinen Merkel-Konsenssoße.
Gewiss wird einer, der früh gratuliert, eher eingeladen als jemand mit prinzipiellen Vorbehalten.

In der DDR war man nach kritischen Rezensionen süchtig. Der Unterhaltungswert war so hoch, weil es der einzige Bereich war, in dem unterschiedliche Meinungen vorgetragen, gar ausgefochten werden konnten. Überhaupt, etwas Negatives zu hören, sensationell. Die Zeitschrift Eulenspiegel brachte Kult-Kinofilmbesprechungen, die es sogar als Buch gab. West-Filme kriegten besonders viel Schärfe ab. Egal; allein, so was zu lesen wie „Das hätte er lieber nicht tun sollen“ war eine Wohltat. Verglichen mit den sonstigen Wohltaten.

Heute haben wir nur Kritik, eine Menge an Polit-Talks, und Diez richtet seine Hoffnung auf eine Literatursendung.

Pseudopolitik in der Pseudokritik von Pseudoexperten.
Das kommt nicht von Merkel. Sie besäße gar nicht die Möglichkeit, ein System von Konsenskorrektheit zu installieren.
Sie kommt damit zurecht, weiß es zu nutzen. Das ja. Und macht vor, es zu nutzen.
Weil das alle selbst auch gerne genauso täten, deshalb funktioniert es.

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Freitag, 29. Mai 2015
Korruptiönchen
Fifa, ja wahnsinnig korrupt, Blatter ein Diktator und Despot, ein Haufen Geld ist im Spiel, das sagt ja alles.
Korruption ist immer das, wo man selbst nicht dabei ist.

Bei einem hochkochenden Skandal ist zuerst zu vermuten, dass unsere Halbwahrheitenpresse wieder einen Ersatzskandal gefunden hat. Woanders unterdrückte Empörung kommt hier hervor.

Wer wie Heiko Maas von Blatter verlangt zurückzutreten, soll diese Forderung aber bitte auch an den Emir richten. Der wusste zwar nichts, kann aber auch nicht alle kontrollieren.

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