Freitag, 27. November 2020
Dekultivierung
Da war auf einem Kulturprogramm im öffentlichrechtlichen Radio eine Literaturwissenschaftlerin im Gespräch, die sich an den Trend dranhängt, Literatur zu untersuchen unter den aktuellen Prämissen, also Kolonialismus und so was, Homophobie bestimmt auch, und sie wurde fündig bei den Buddenbrooks. Nicht weil da mal für Negerkinder gestrickt wird, sondern wegen der Darstellung der Frauen. Die seine passiv und Staffage.

Man könne ja, so die Moderatorin, meinen, das sei so dargestellt. Mehr traut sie sich nicht.

Aber darauf lässt sich die Expertin nicht ein, sie untersucht, was man Neuen zu lesen geben könne, um ihnen Leitkultur nahezubringen. Und da geht das nicht, so sie.



Die ganzen Programme sind nur noch voll mit diesem Quatsch.

Warum das übelste Propaganda ist, liegt nicht nur an den Themen, mit denen dauerbeschallt wird. An dem Buddenbrooks-Beispiel sieht man nicht nur mangelnden Respekt vor Klassikern, das ginge ja noch, wenn man was Besseres hat, und nach ein paar Jahrhunderten ändert sich das Lesevergnügen. Aber in dieser Betrachtung der Expertin kommt der Leser gar nicht vor. Es wäre ja immerhin denkbar, dass der heutige Leser genau dies herausliest und sich eine Meinung dazu aufbaut, die durchaus eine andere sein könnte als vor hundert Jahren oder zu der Zeit, als die Buddenbrooks spielen. Doch um den Leser, einen mündigen vielleicht noch, geht es gar nicht, darf es nicht gehen. Es geht um Bevormundung. An allem, was sich anbietet. Auch den Buddenbrooks.

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