Montag, 4. Oktober 2021
Rechtsfragen
Eine sechsundneunzigjährige Angeklagte vor einem Jugendgericht, das ist geeignet, das Monströse der Schoah ins Lächerliche zu ziehen. Ein Grund mehr, auf die Rechtsfragen zu schauen.

Grundsätzlich richtig, Verbrechen auch nach sehr langer Zeit noch zu ahnden, Mord verjährt nicht und das ist richtig so. Jetzt ist die Frage: War sie Gehilfin, ist sie der Beihilfe schuldig? Ist das, was sie als Sekretärin getan hat, eine Erfüllung des Tatbestands mit doppeltem Vorsatz und zur Schuld zuzurechnen?

Was, wenn der Verwaltungsaufwand eher hinderlich war, wenn die bürokratische Gründlichkeit gar keine Hilfe war?

Es heißt, sie hätte sehen können, was los war und wofür sie arbeitete. Damit soll der Schuldvorsatz begründet werden, aber war die Wirkung womöglich: Man kann hier sein oder dort? Nicht mehr nachvollziehbar für unsere Haltungsberufstätigen.

Womit wir bei der verstörendsten Unstimmigkeit wären, die vor lauter Augenfälligkeit übersehen wird. Man behandelt die Angelegenheit wie eine Wirtschaftsstrafsache. Aber der Mord war ein staatlicher. Die Sekretärin arbeitete beim Staat. In der Staatshaftung kam lange Zeit nicht vor und damals schon gar nicht, dass dass staatliche Handeln selbst unrechtmäßig sein könnte. Bei den Mauerschützenprozessen ging es dezidiert um die Frage, ob die Soldaten hätten wissen können und müssen, befohlenes Unrecht zu tun, und sich dem widersetzen müssen. Worüber die Juristen stritten, wurde den Angeklagten auferlegt zu wissen.
Nach allen normalen menschlichen Maßstäben hätte die Sekretärin wissen können und müssen, dass sie an nichts weiter als an einer Mordmaschine mitwirkt. Vielleicht hat sie das sogar. Aber wie sie sich verhalten hat, war politisch korrekt. Damals.
Jetzt nicht mehr.
Jetzt legt derselbe Staat oder sein Rechtsnachfolger ausgewechselte Maßstäbe der politischen Korrektheit an.

Bei Bediensteten der Justiz wurde damit nicht angefangen.

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Ausgewechselte Maßstäbe
wird die Politik in Form der (neuen) Regierung anwenden, zumal ja fast nur Rote herrschen werden, egal, ob Grünrote, Linksrote, CDUrote SPDrote und sogar FDProte. Alles alter Hut. Besser wäre jedoch, wieder eine unabhängige Justiz einzusetzen, die neue (alte, bewährte) Maßstäbe anwendet. Aber da erhoffe ich zuviel, oder?

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Herr Zeller -- bis heute habe ich mich oft
über Ihre zuweilen feinsinnigen und doch oft bitter treffenden Kommentare gefreut. Mit dem heutigen Post biegen Sie hartrechts ab und sumpfen und braunem Gelände. Die 96-jährige hat sehr wohl gewusst, was in diesem Lager geschah. Dieses Geschehen war monströs und an Menschenverachtung nicht zu überbieten. Eine einfache Kündigung hätte gereicht, notfalls eben Erkrankung. Oder die ehrliche Äußerung, das hier kann ich nicht. Wir reden doch hier nicht über Fahren ohne Fahrschein. Dort starben sehr real 10Tausende Menschen. Es ist mir unbegreiflich, weshalb Sie ausgerechnet in diesem Bezug so eine Meinung vortragen können. Das andere aus Justiz und Verwaltung nicht bestraft wurden, mag sein. Das spricht die damals junge Frau nicht frei. Ihnen, Herr Zeller, spreche ich mein tiefstes Missfallen aus.

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Herr Blaubär,
vielleicht erlauben Sie mir, meine Sicht auf Ihren Kommentar hier darzulegen. Ich halte ihre Sicht der Dinge für symptomatisch: Nicht für eine Weltanschauung oder ein politisches Lager, sondern für eine Generation.
Mir ist das gar nicht begreiflich, wie man heute ein Interesse daran haben kann, zu der Situation dieser Frau eine sittliche Haltung, ein sittliches Urteilen gar zu haben. Und das ist eben das Bedeutsame hierbei: Es ist überhaupt für gar nichts wichtig, ob diese Frau gut oder böse handelte im Angesicht des Bösen. Hier dokumentiert ist die Lust unserer Zeit am (Ver-)urteilen. Das ist der "tagesschauder", der mir (geb. 1988) dabei den Rücken herunter läuft. Die Meinung gegen die Verfolgung dieser Frau, ob rechtens oder nicht, ist keine Haltung zu den KZs oder den Nazis, sondern über den Eifer der Verfolger. Provokativ gesagt: Was interessiert mich ein KZ? So sehr wie Dschingis Khan. Mich interessiert, wer gejagt wird. Darum gehts hier.

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Hallo oertlicher Typ
will Ihnen nur zu Ihrer Replik sagen: Tadellos. In (Ihre) meine Richtung gingen in etwa auch meine Gedanken. Schwieriges Thema. Gut erkannt und erarbeitet. Mein Vorfahr sagte damals zu mir: ?Mach Du nur so weiter? und meinte das nicht freundlich (ist aber hier, auf Sie gemünzt, absolut positiv gemeint).

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Der Vorgesetzte der Geflüchteten ...
... soll 1957 zu einer 9 jährigen Haftstrafe verurteilt worden sein, von der er nur 3 Jahre absitzen musste. Das erscheint mir angesichts einer Mordanklage doch sehr wenig. Vielleicht stimmt's auch nicht. Es scheint aber , dass die Jurisdiktion vom Zeitgeist getragen wird.

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+1
Wäre so früher, wie in liberalen Demokratien (einstmals) üblich, rechtlich vorgegangen worden, hätte ein Verfahren nicht in Betracht gezogen werden können.
Bei "politisch korrekter" Justiz geht es nun aber anders.

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