Mittwoch, 4. Februar 2015
Wie im Kinderbuch
Zeit-Online gab eine Leserbefragung zum Thema Inklusion aus, die Leser sollten ihre Erfahrungen mit Inklusion schildern. Das ist ganz gut gedacht, manche Zeit-Leser sind ziemlich dicht an der Realität dran oder gelegentlich sogar mittendrin, warum also nicht auf diese Kompetenz zugreifen?
Und man muss es schon als Glasnost ansehen, dass zum Thema Inklusion die Realität beforscht werden darf.
Erwartungsgemäß bildeten sich zwei Lager, „Funktioniert nicht, nützt nichts“ das eine -- das andere aber nicht etwa „Funktioniert doch und wäre noch schöner, wenn mehr Geld kommt“, sondern: „Gut gemeint, soziale Kompetenz, keine Ausgrenzung, keine Stigmatisierung, nicht mehr abgeschoben in Sonderschulen“.
Also: Realität gegen Ideologie.
Früher hätte damit die Ideologie als widerlegt angesehen werden müssen, aber in der Informationsgesellschaft geht es darum, welche Meinung sich durchsetzt, wer die Deutungsmacht besitzt.

Dennoch bleibt ein Erkenntnisgewinn, außer „funktioniert nicht“, nämlich der, wie die Inklusion gemeint ist, nämlich keineswegs gut. Es ging nie darum, den Menschen, den Kindern, zu helfen. Nicht den normalen und nicht den anderen, den nichtbehinderten. Eine Gleichbehandlung findet nur in der Perspektive der Außenstehenden statt -- für die ist der Unterschied zwischen den Kindern aufgehoben, weil alle unter die gleichen Maßnahmen gesteckt werden, weil sie als die gleichen Objekte behandelt werden. Alle sind gleichbenachteiligt -- dass es ein Nachteil für jedes Kind ist, interessiert nicht.

Die Inklusionisten sind die klassischen Übeltäter aus dem Kinderbuch.

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Na ja, ich finde Ideologie gar nicht so schlecht. Was die Inklusionsbürokraten betrifft, die mir auch auf die Nerven gehen - die legen doch eher zu wenig als zuviel an Ideologie an den Tag. Denn wer es "gut meint", der tut auch etwas. Dass sie nichts tun, jedenfalls nichts Gutes für die Kinder, beweist doch einen erschreckenden Mangel an Ideologie bei diesen Leuten.
Mein Kind ist an der Grundschule in eine "Integrationsklasse" gegangen (so war damals noch die Sprachregelung). Da ist das, was jetzt von oben herab behauptet wird, ohne es ernsthaft durchzuführen, von den Lehrern wirklich gemacht worden: erlebtes Miteinander, unerzogenen Kindern Erziehung beibringen, erzogenen Kindern beibringen, mit unerzogenen umzugehen, ...
Realität ist nicht nur, dass es nicht funktioniert, wo leer von "Inklusion" getönt wird. Realität ist auch, dass es funktioniert, wo die Leute praktisch und mit gutem Willen etwas tun - anstatt unter dem Deckmantel einer nur behaupteteten Ideologie irgendwelche Sparmaßnahmen durchzuführen.

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Zu positiv gedacht
... fürchte ich. Das Ganze funktioniert so: Es geht darum, ein paar Milliarden pro Jahr im Bildungswesen einzusparen, die an anderer Stelle "sinnvoller" eingesetzt werden könnten. Zu dem Zweck sucht man sich wohlmeinende Einfältige und redet ihnen die Zweckmäßigkeit der Inklusion ein. Was, nebenbei bemerkt, nicht nur bei der Inklusion funktioniert.

Jene wohlmeinenden Einfältigen machen nun die Arbeit für die Inklusion, finden mit wohlgesetzten Argumenten und dem Drücken auf die Tränendrüse viele Gleichgesinnte. Früher oder später gibt es eine relevante Minderheit, die den Eindruck erweckt, für alle zu sprechen, und bewegt die so genannten Volksvertreter in die gewünschte Richtung. Letztere wollen ja keine Wähler verprellen.

Der Weg in die Hölle ist mit guten Absichten gepflastert. Der Satz soll von George Bernard Shaw stammen. Von wem auch immer, richtig ist er allemal.

MfG
Hans

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Philosophisch ergänzt:
Na ja, ich finde Ideologie gar nicht so schlecht.
Kollekt oder korrekt, Ideologie ist nun wirklich alternativlos, wobei so nicht einmal indirekt die bundesdeutsche Mutti zitiert werden soll, natürlich.
Insofern ging es nur um eine (bestimmte) Ideologie, die sich zu messen hat, an dem was ist und fortlaufend stattfindet.
Denn wer es "gut meint", der tut auch etwas.
Der größte Feind des Richtigen ist bekanntlich das Gutgemeinte.
Realität ist auch, dass es funktioniert, wo die Leute praktisch und mit gutem Willen etwas tun (...)
Realität meint die Sachlichkeit, der Realist ist demzufolge davon überzeugt mit Sachen und Sachbezügen die Welt verstehen zu können.
Seit bestimmten Erfahrungen, die vor ca. 100 Jahren gemacht worden sind, in der Physiklehre, gilt der Realismus als tot und die Realität als zweifelhaft.
Wirklichkeit, vgl. mit Meister Eckhart, ginge schon eher; philosophisch korrekt wäre es schlicht festzustellen, dass Ideologie generell an dem scheitern kann, was sich (weltlich) ereignet.

MFG
Dr. W

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Wahre Ideologien
überstehen weltliche Ereignisse.

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Wenn Sie schon gerade dran sind
, Herr Zeller, das hier scheint (wieder einmal) gut formuliert:
Die Inklusionisten sind die klassischen Übeltäter aus dem Kinderbuch.
Das Böseste meint nicht den Gulag-Täter, den im Nationalsozialismus in den Ofen Schiebenden oder den strengen Bart, sondern diejenigen, die sich ohne eigenes Interesse relativistisch zu jener Veranstaltung stellen, äquidistant und sich in ihrem Glauben oder in ihrer Ideologie sittlich erhaben fühlend.

MFG
Dr. W (der sich bewusst ist, hier ein wenig vom Thema weggegangen zu sein)

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Nein, Herr Zeller, nur Ideologien, die innerlich tot sind, überstehen weltliche Ereignisse unverändert. Und natürlich, Dr. W., können Ideologien an dem scheitern, was dann tatsächlich passiert. Ich würde sogar vermuten, dass das der Normalfall ist.
Ideologien, die etwas taugen, reagieren auf Niederlagen und verändern sich entsprechend.
Aber um zum Thema zurückzukommen: Lassen Sie uns weniger über meckern über ZEIT-Journalisten, islamische Geistliche oder andere Ideologen, die sich weit weg von unserer Lebenswirklichkeit bewegen. Es kommt darauf an, dass wir in unserem Leben jeweils das Gute tun (und dazu brauchen wir halt eine Ideologie, wie auch immer die aussehen mag) - und uns nicht mit der Ausrede zurücklehnen, das Gutgemeinte sei der Feind des Richtigen. Wer etwas Gutes tut, riskiert, sich fürchterlich zu irren. Wer nur "das Richtige" tut, verzichtet von vornherein darauf, darüber nachzudenken, ob sein Tun gut oder böse ist, und stärkt in aller Regel die Schlechtigkeit der Welt.

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Gemeint war in etwa
weiter oben: das Richtige versuchen zu tun, im Bewusstsein, dass es falsch sein kann, aber die Schiene "gut / schlecht gemeint" zu meiden, auf sich bezogen, wie auf andere.
Wobei dieser Versuch das Gute meinen muss, ohne "gutgemeint" (wichtig hier jeweils die doppelten Anführungszeichen, die auf eine Metaphorik hindeuten sollen) zu sein.
>:->

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