Sonntag, 4. Dezember 2022
Endstation Theater
Kalenderblatt im Frühstücksradio gestern, vor 75 Jahren Uraufführung des Erfolgsstückes ''Endstation Sehnsucht'' von Tennessee Williams. Gewalttätiger Ehemann, duldsame Frau, ihre Schwester hängt verlorenen Zeiten nach, wird schließlich von ihm vergewaltigt, Frau kommt ins Irrenhaus.
Das sei, sagt eine Schauspielerin, die diese Rolle kürzlich gespielt hat, damals ein Vernichtungsurteil gewesen, in den amerikanischen Irrenhäusern seien mehr Menschen umgekommen als in den Kriegen.
Und dieses überwundene Amerika, so schließt der Beitrag, sei das, was die Wiedergroßmacher wollen.
Hier ist eine Korrektur anzumerken. Natürlich funktioniert ein Stück nur, wenn die Leute sich und ihre Zeit oder ihre Welt wiederfinden, auch, wenn sie vorgeführt bekommen, was sie für die Welt halten. Jemand wie Marlon Brando geht ins Theater, Kowalski nicht.
Aber der Autor ist alle Figuren, er ist jede personifizierte Eigenschaft. Als Wunsch oder Projektion. Tennessee Williams ist der animalische Kerl, der sich nimmt, was er will, er ist das duldsame Abhängige, er ist die Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies, und er ist das Missbrauchsopfer, er ist die Flucht in den Wahnsinn. Nicht in die Irrenanstalt, die steht für den Wahnsinn.

Jetzt können wir uns nur mal überlegen, wie wir diese dramatische Konstellation für heute und hier aktualisieren und auf die Bühne bringen könnten. Man müsste nur Amerika auswechseln und den Namen Kowalski.

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